
Erich Manns Werkstatt in der Frankfurter City gilt seit vielen Jahren als Geheimtipp für alle, die nicht den Weg des Ex-und-Hopp gehen wollen. Vor allem an alten und schon fast museumsreifen Geräten hat der gelernte Feinmechaniker Freude und findet meist genau die Schraube heraus, mit der so ein defektes Ding wieder ins Laufen kommt.
Frankfurt am Main (pia) Rasierer defekt? Der Radiowecker gibt keinen Ton mehr von sich? Für die wegen ihres seinerzeit hochmodernen Designs angeschaffte Küchenmaschine finden sich keine Ersatzteile mehr? Wie gut, dass es dann Erich Mann gibt. Eines der äußerst selten gewordenen „Exemplare“ in einem Sektor, den man heute mitunter als „Dienstleistungswüste“ bezeichnet. Geht nicht, gibt’s (fast) nicht bei ihm, und mit der Ex-und-Hopp-Methode, die lieb gewordene Dinge einfach entsorgt, hat er schon gar nichts im Sinn.
In Frankfurt und ziemlich weit darüber hinaus ist Erich Mann bei Besitzern elektrischer Geräte bekannt wie der sprichwörtliche „bunte Hund“. In einer Gasse unweit der viel geliebten Kleinmarkthalle betreibt er seinen Kundendienstladen und besetzt damit eine der kleinen freundlichen Nischen, die es auch in einer Skyline-Großstadt mit internationalem Bankengeschäft noch immer gibt. In seiner winzigen Werkstatt im Hinterzimmer beschleicht den technisch minder bemittelten Kunden zwar eine leise Panik angesichts der Unmengen von Kästen, Laden und in ihre Einzelteile zerlegten Geräte, aber Erich Mann greift zielsicher ins offenbar geordnete Chaos und genau die Schraube heraus, mit der so ein defektes Ding wieder ins Laufen kommen kann.
„Mal sehn, mir wird schon was einfallen“, das haben schon viele ratlose Kunden von ihm gehört, die oft mit einem schon fast museumsreifen Stück zu ihm kommen. Es ist geradezu sein Ehrgeiz, sich hoffnungsloser Fälle anzunehmen, sich irgendwo passende Teile zu besorgen und alles in stundenlanger Arbeit wieder zusammen zu basteln. Dass das auch an Wochenenden bei ihm daheim geschieht, spielt kaum eine Rolle. Sein Herz hängt an schön gestalteten Produkten, und er schwärmt geradezu von Dieter Rams, dem weltbekannten langjährigen Designer der Firma Braun, dessen Entwürfe wie der berühmte „Schneewittchensarg“, eine Radio-Phono-Kombination aus Glas, oder wie Uhren oder Rasierer vor Jahrzehnten mit ihrem neuen Look edler Schlichtheit die Technikwelt revolutionierten und heute längst zu den Klassikern zählen.
Ursprünglich wollte Erich Mann Förster werden. Liebend gern ist der gebürtige Schlesier in seiner Jugend durch die Wälder rund ums heimische Glogau gestreift. Doch Kindheitsträume erfüllen sich nicht immer, und wie für viele Menschen seiner Generation zeichneten Krieg und Kriegsfolgen seinen Lebensweg als Zickzack auf die Landkarte. Zunächst vom Arbeitsamt „in die Industrie“ vermittelt, arbeitete er nach seinen Lehrjahren im Hoch- und Tiefbau, ging schon Anfang der vierziger Jahre nach Norwegen, um dort ein Aluminiumwerk aufzubauen und kam später - noch als Zivilist - in die Sowjetunion. Hier allerdings erwischte ihn der Einberufungsbefehl zur Wehrmacht. Frankreich, Italien, eine schwere Verwundung, Lazarett, wieder heim nach Glogau, dann nach Breslau, bis die Russen kamen. Auch das Schicksal des Flüchtlingstrecks blieb ihm nicht erspart, „mit fünfzehn Pferdegespannen im Winter über die Straßen, es war hundekalt“. Erstes Ziel war Bernburg, wo er in einem russischen Betrieb Turbinen bauen musste. 1947 reichte es ihm. „Da bin ich in den Westen getürmt, über die grüne Grenze“. Zu Ende war das wechselvolle Wander- und Berufsleben damit noch immer nicht. Er fand Arbeit im Wolfsburger Volkswagenwerk und kam später nach Braunschweig zur Firma Voigtländer - der richtige Platz für den gelernten Feinmechaniker und leidenschaftlichen Bastler.
Als jedoch die Firma still gelegt wurde, machte Erich Mann sich selbständig. Und kam nach Frankfurt. Das ist nun auch schon mehr als ein Vierteljahrhundert her. Und das nach eigenen Worten „unruhige Hemd“ wurde endlich sesshaft und zur bekannten und beliebten Anlaufstelle für alle, die mit den Tücken der Technik kämpfen. Jeden Morgen um sechs Uhr steht er auf, um nach Frankfurt ins Geschäft zu fahren, „bis auf den Mittwoch, das ist mein Hausarbeitstag“. Ans Aufhören denkt er keineswegs, „ich kann ja gar nicht, ich habe noch so viele Aufträge zu erledigen“, sagt er lächelnd. Schließlich ist Erich Mann ja auch erst 82 Jahre alt.
Lore Kämper - Frankfurt
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