Cork City - Unter Heiligen und Rebellen
Die
südirische Stadt Cork, auch Rebel-Town genannt, setzt alles
auf Kultur
Corks Straßen
winden sich wie Flussmäander und sind umschlungen von den
Armen des River Lee. In die Stadt hinein überquert man ihn
über große und kleine Brücken, gelangt an
Kanäle, schaukelt bald durch die St. Patrick´s
Street und begreift, dass auch sie einmal eine Wasserstraße
war. Bis man diese Hauptader in die alte Handelsstadt im
späten 19. Jahrhundert zuschüttete, segelten die
Trawler hinein und machten vor den Türen der großen
Stores fest, die jetzt Kaufhäuser, Kinos oder Verwaltungen
beherbergen.
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Und wie Schiffsmasten ragen futuristische Laternenaufbauten dicht an
dicht auf und versetzen die viktorianischen Fassaden in warmes
Leuchten. Sie sollen daran erinnern, dass Cork schon Europa war, als
die ersten Vikinger ihre Langschiffe mit Handelsgut den Fluss
heraufbrachten, als die Elizabethaner ihre Sprache mitbrachten und die
holländischen Seefahrer ihre Fertigkeiten in Handel und
Bankgeschäften. Französische Hugenotten etablierten
das Silberhandwerk und eine kleine jüdische Gemeinde sorgte
sich um Literatur und Kunst. Cork sei eine
„Bounty“, ein Geschenk des Ozeans stand in der
Festschrift, als Cork 2005 zur Kulturhauptstadt Europas gekürt
war. Mit 119.000 Einwohnern übrigens die kleinste, die je
ernannt wurde. Ihr mittelalterlicher Kern zwischen Quais,
Kanälen und 128 Brücken, überragt von den
zwei mächtigen Kirchen St. Finbarrs Cathedrale und St.
Anne´s Church Shandon, ist leicht zu erlaufen.
Gemütlich geht man den Tag gegen 10 Uhr an. Im
Hugenottenviertel mit seinen geduckten Stadthäusern zurren die
Antiquitätenhändler gerade die Markisen zurecht, die
ersten Straßenmusiker beziehen Posten in den Tearooms vor dem
Rory Gallagher Platz, wo man dem früh gestorbenen Blues- und
Rockmusiker ein Denkmal gesetzt hat. „Auch ein echter Corker
“, sagt eine ältere Lady, die sich neben einen
öffentlichen Aschenbecher postiert hat, um ein wenig zu
schmauchen. Er sei ein Rebell gewesen, dieser Gallagher, sinniert sie,
wie viele ihrer Vorfahren, die es nach Amerika verschlagen hat, die vom
Whiskey nicht lassen konnten, die ohne einen guten Tee nicht in die
Schlacht gezogen wären. Mit diesem kleinen Chat, dem beliebten
Schwatz auf der Straße, entfaltet sie mühelos ein
Stück Corker Historie. Cork gilt als die Rebellenstadt, ihr
bedeutendster Sohn Frank O´Connor zettelte den Aufstand in
die Unabhängigkeit von den Briten an. Und im
jüdischen Viertel ist James Joyce geboren.
Kultur wird schon lange groß geschrieben in der kleinen Stadt
Cork. Das Opernhaus ragt wie ein stolzes Schiff über den
Nordquai, an seiner Flanke die Crawford Gallery mit einer
großartigen Sammlung irischer Meister. An den
Südquais hat sich junge Kunst die alten Lagerhäuser
entlang des Lee als Domizile gesucht. Da finden sich die Fenton Galery,
die Künstlervereinigung Triskel und die National Sculpture
Factory. Diese Organisationen sind die Ideengeber für viele
der künstlerischen Projekte, die die Stadt
alljährlich zu Festivals oder Kulturwochenenden
fördert.
Um Esskultur von hohem Rang geht es in Cork dann jeden Tag. Einer der
beliebtesten und ganz besonderen Orte für die obligatorische
Lunchzeit um zwölf Uhr sind die viktorianischen Hallen des
English Market. Im Farmgate Market Café auf der Ballustrade
findet sich bei nostalgischer Pianountermalung das ganze bunte Publikum
aus den Shopping-Sträßchen, den Design- oder
Wollgeschäften, Folkpubs und Edelrestaurants
gebündelt zum wahrhaft theatralischen Schmausen ein. Ein
Theater in Cork aber ist noch prächtiger als dieses: das
Everyman Palace Theatre. Ein Juwel im byzantinischen Stil mit seiner
Goldstuckatur, roten Plüschsesseln und vier goldenen Logen.
Klassische Stücke stehen ebenso wie die
zeitgenössischer Autoren im Programm, die meist ein volles
Haus garantieren. Die Corker hatten eben schon längst das
Format einer Kulturstadt – zuletzt haben sie nur noch das
„haupt“ hinzu bekommen.
Jule Reiner (25.09.07)
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